Lauriane und Jacques Clouteau: Miam Miam Dodo Via Podiensis

Rezision von Dr. Gerd Gellißen

Deutsche Ausgabe des Wanderführers. Éditions du Vieux Crayon (www.levieuxcrayon.com), 2023, 288 S., ISBN 978-2-38006-027-0, mit 101 Karten im Maßstab 1:37.500 und zahlreichen Stadtplänen.

Französischer Jakobsweg von Le Puy-en-Velay nach Roncesvalles

Da ist sie nun die lang erhoffte deutschsprachige Ausgabe des renommierten französischen Miam Miam Dodo Führers über die Via Podiensis – mit weißem Einband, auf der Frontseite ein großes Foto, auf dem sich zwei Pilger mit „Walking Sticks“ der Markthalle von Auvillar nähern. Auf seiner Titelseite wartet er nicht mit erschlagenden touristischen Höhepunkten wie den Stadtansichten von Le Puy oder Conques auf. Für die Beschreibung der Via Podiensis (=GR65), des landschaftlich schönsten und kulturhistorisch sicherlich interessantesten der vier französischen Jakobswege, werden stattdessen bereits auf dem Einband Informationen über 780 Unterkünfte entlang des Weges, eine jährliche Aktualisierung und eine ausführliche Kartografie im Maßstab von 1:37.500 (!) versprochen. Dass sich bereits hier ein Tippfehler eingeschlichen hat (am Maßstab statt im Maßstab), sei verziehen.

Das Versprechen auf dem Einband wird von den Autoren Lauriane und Jacques Clouteau und ihrem Team überzeugend eingelöst. Die klare Gliederung, die Qualität der Karten und die präzise, zuverlässige Information über die Unterkünfte machen den Führer zu einer unverzichtbaren Hilfe für den Wanderer, zur Bibel für den Pilger, wie seine Autoren durchaus selbstbewusst irgendwo im Text feststellen.

Ein einführender Text, gegliedert in „Der Weg, Die Reise vorbereiten, in Frankreich reisen und praktische Information“, ist vorangestellt. Es ist an alles gedacht: Spirituelle Dimension, das Credential, Monumente des Weltkulturerbes am Weg, Covid-19 Problematik, reist man allein oder in Begleitung, mit Esel oder Fahrrad, der Weg für Menschen mit Behinderung, Öffnungszeiten und Feiertage. Sogar an eventuell auftretende Bettwanzen ist gedacht (Textauszug: …die kleinen Viecher haben in gewissen Herbergen am Jakobsweg ihr Comeback erlebt…).

Die Hilfe bei der Etappenplanung ist von besonderer Qualität: Eine tabellarische Übersicht fasst Streckenabschnitte mit einer Länge zwischen 12 bis 30 Kilometern mit den Unterkunftsmöglichkeiten zusammen, die jeder individuell passend zu seiner Kondition oder Tagesstimmung abrufen kann. Der Wanderer wird in die Nutzung der Karten und Herbergsbeschreibungen mit ihren eingearbeiteten Symbolen in verständlicher Form eingewiesen – dies macht es auch für Menschen leicht, für die eine kartographische Orientierung eine eher ungewohnte Übung ist.

Beginnend in Le Puy und endend in spanischen Roncesvalles, besteht der Kartenteil aus 102 Karten. Darunter befinden sich übersichtliche Stadtpläne der größeren Orte am Weg – etwa Le Puy, Cahors oder Moissac. Die individuellen, optisch hervorragend ausgearbeiteten Karten sind gut mit den darunter gestellten Unterkunftsinformationen abgestimmt. Die Autoren haben eine nahtlose Abfolge der Kartenschnitte festgelegt – vielleicht hätte man für eine bessere Orientierung ein wenig Überlappung einräumen können.

Die Texte der Einführung und die Beschreibung von Orten, Landschaften und Gebäuden machen das Stöbern im Buch und auch die Rezension des Führers zu einem Vergnügen. Sie sind in einem humorvollen, manchmal flapsigen, manchmal auch deftigen Stil verfasst. Staubtrockenheit in der Informationsverabreichung ist sicherlich nicht die Sache der Autoren.

Die Autoren stellen an den Anfang des Führers eine köstliche Legende über die Erschaffung des Miam Miam Dodo und seiner Namensgebung. Sie lässt an Opulenz und Phantasie so manche mittelalterliche Hagiographie hinter sich: Eine junge Schäferin mit einer Engelserscheinung ist zu finden, ein Stotterer ist für die Dopplung Dodo verantwortlich, die Anregung zur Namensgebung ist im Schriftband des Weltenrichters im Tympanon der Abteikirche von Conques vorgegeben. Lauriane und Jacques Clouteau werden zur komödiantischen modernen Version des Jakob de Voragine. Semantische Gemmen sind immer wieder in die Texte eingestreut – hier eine kleine Auswahl:

Der beschwerliche und unübersichtliche Abstieg von Le Chier nach St. Privat d’Allier ist als „Weg zwar schön, aber verwirrend und ein Feind der Knöchel“. Zur Passage des Aubrac wird bemerkt „Wenn Sie die Weiden überqueren, haben Sie keine Angst vor dem riesigen Bullen. Er ist viel zu erschöpft von der Beschäftigung mit seiner weiblichen Herde, um Sie anzugreifen. (Anmerkung des aus dem Allgäu stammenden Übersetzers: Verlassen würde ich mich darauf nicht!) Der Buchsbaum, „der in Felsspalten wuchert und nie seine Blätter verliert, hat keine Feinde außer dem Lama, das hier ziemlich selten ist, und einem liederlichen Schmetterling…“. „Der aus Australien stammende Eukalyptus breitet sich ohne Fressfeinde schamlos über das ganze Land aus.“ Anschließend macht der Autor Jacques Clouteau den Jakobspilgern einen skurrilen Vorschlag, der hier aus Rücksicht auf die weiblichen Leser lieber unübersetzt bleibe: „Alors ne vous gênez pas pour uriner abondamment au pied de tous les eucalyptus que vous verrez.»

Mit der deutschsprachigen Ausgabe des MIAM MIAM DODO Wanderführers ist dem Autorenpaar ein großer Wurf gelungen. Ihre Qualität schließt sie an die der französischen Ausgabe an, die seit der ersten Auflage im Jahre 1998 auch für Nicht-Franzosen eine verlässliche Hilfe bei ihrem Weg über die Via Podiensis war. Inzwischen ist das Miam Miam Dodo zu einer Reihe angewachsen, die die anderen französischen Wege und den Camino francés einschließt. Für diese Qualität wurde Le Vieux Crayon im Jahre 2021 vom spanischen Journalistenverband in der Ehrenhalle der Universität von Santiago de Compostela der Aymeric-Picaud Preis verliehen.

Es ist zu wünschen, dass auch die Beschreibung der anderen Jakobswege ihren Platz in deutschsprachigen Ausgaben des Miam Miam Dodo finden wird.

(Dr. Gerd Gellißen)

(aus: Die Kalebasse, Nr. 74, 2023, S. 66-68)